Monat: Dezember 2022


  • Innovation auf dem GNU/Linux-Desktop?!

    Einsortiert in:

    Für viele zeichnet sich die Welt freier Software vor allem durch scheinbar nie enden wollende Vielfalt aus: Egal, ob es um Distributionen, grafische Oberflächen oder auch Lösungsansätze bei verschiedensten Problemstellungen geht; freie Software bietet eine Fülle an Optionen, aus denen man wählen kann und vor allem darf. Doch diese Diversität hat auch Nachteile, gerade, was Distributionen angeht, wird häufig von Zersplitterung gesprochen, die dem freien Betriebssystem auf lange Sicht eher Schade als nutze. Klar ist: Die Vielfalt, die man Tag ein, Tag aus beobachten und nutzen kann, muss irgendwie an Einsteiger vermittelt werden. Allerdings fällt es immer schwieriger, einen vernünftigen Kanal zu finden, über den das geschehen könnte.

    Der Hype, den Ubuntu auslöste, als es sich das erste Mal als “Linux for Human Beings” präsentierte, kam zwar nicht von irgendwo. Heute ist aber mehr als deutlich, dass sich die Interessen von Canonical mit denen der Gemeinschaft nicht unbedingt decken. Das möchte ich nicht (sofort) zum Problem stilisieren, trotzdem ist es nun einmal Fakt: Egal, ob es hierbei um Snaps, den ehemaligen Amazon-Button oder die verschiedenen Tracking- und Report-Funktionen der Distribution geht. Für viele ist Ubuntu durch das Verhalten Canonicals zu einem Unwort geworden, auch wenn es eigentlich nicht so sein müsste. Das hat vermutlich auch mit einst hohen, vielleicht zu hohen Erwartungen zu tun, die nicht immer, zumindest nicht auf Dauer erfüllt wurden oder erfüllt werden konnten.

    Mittlerweile hat sich die Tendenz eingeschlichen, über die feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Distributionen hinweg zu sehen. Am Ende des Tages basieren viele Distributionen auf Debian, andere auf Arch, ein paar auf Fedora und openSUSE. Trotzdem unterscheiden sich diese Varianten, mal sind sie eher Serviervorschläge, mal folgen sie einem grundlegend anderem Konzept als die Muttersysteme. Letztere lassen sich manchmal nicht einmal wiedererkennen.

    Für viel schlimmer als die Distributionsvielfalt halte ich aber die Fragmentierung, die sich auf dem Desktopbereich festhalten lässt. Wenn man einen Einsteiger dann einmal, vielleicht nach langen Mühen, von einer Distribution überzeugt hat, werden die darauf folgenden Schritte nicht unbedingt leichter. Wenn es um die Wahl einer grafischen Oberfläche geht, reicht es oftmals nicht, einfach beim Standard einer Distribution zu bleiben, wenn ein solcher überhaupt existiert. Das es viele Desktops gibt, ist und bleibt kein Wunder, immerhin ist die “eigene” grafische Oberfläche als stetiger Begleiter eine riesengroße Geschmackssache. Nicht jedem gefällt Gnome, nicht jeder möchte bei KDE bleiben.

    Das Problem ist also nicht, dass unterschiedliche Projekte unterschiedlich mit ihrer Codebasis und ihrer Software umgehen. Das Problem liegt, glaube ich, auch nicht bei den unterschiedlichen oder gegenläufigen Designideen der einzelnen Entwickler. Nein, zum Problem wird eher die technische Vereinzelung: KDE setzt eben auf Qt, Gnome bleibt bei GTK, Enlightenment bringt ein eigenes Toolkit mit. Dann wiederum erfindet man alte Standards neu und schafft mit “Innovationen” wie clientseitigen Dekorierungen, wie diese heute bei Gnome üblich sind, einen weiteren Faktor der Fragmentierung.

    Und wenn bei jeder Gnome-Hauptversion drei neue Forks und bei der nächsten KDE-Veröffentlichung zwanzig neue Forks oder Desktopprojekte entstehen, vervielfacht sich dieses Problem in’s Unermessliche.

    Warum muss bei jeder Innovation mit den bestehenden Standards gebrochen werden? Ist es denn nicht nachvollziehbar, dass sich Anwender auch einmal an Dinge gewöhnen? Warum muss eine intuitive Oberfläche immer aus der Sicht eines Neueinsteigers und nicht der eines Umsteigers konzipiert werden?

    Wenn sich das Gnome-Team eine neue Idee in den Kopf und diese in der eigenen Oberfläche umsetzt, sind davon auch andere Projekte, die Gnome-Technik einsetzen betroffen. Sicherlich könnte man jetzt sagen, dass die Gnome-Entwickler*innen jedes Recht haben, ihre Software so zu gestalten, wie sie möchten. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass gerade größere Desktopprojekte häufiger Mal die kleineren Projekte vergessen, die eher als periphere Nebenerscheinungen betrachtet werden und keinesfalls als mögliche Partner einer Zusammenarbeit.

    Ich möchte hier nicht wieder die Binsenweisheit der Zusammenlegung von Entwicklerkräften beschwören, ich glaube, das ist in den letzten Jahren schon oft genug geschehen. Trotzdem kann ich mich ewig darüber aufregen, dass neue Ideen von Projekt A die Perspektive von Projekt B zu vergessen scheinen.

    Kleineren Entwicklergruppen, etwa den Entwicklern von Xfce, ist es schlichtweg nicht möglich, alle Teile ihres Desktops von Grund auf neu zu bauen, das wäre in den meisten Fällen vermutlich auch ein unglaublich sinnloser Mehraufwand. Wenn aber die Entwicklung der GTK-Plattform, auf die auch Xfce angewiesen ist, derartig maßgeblich von Gnome bestimmt (sicherlich auch vorangetrieben wird), heißt es für Xfce vermutlich öfter: Friss oder stirb!

    Die neue libadwaita, die den jüngsten Gnome-Anwendungen aus dem Gnome-Projekt ihren sehr eigenen Stil verleiht, ist eigentlich mit einem edlen Ziel gestartet: Anstatt sich wieder und wieder in die Weiterentwicklung des zu Grunde liegenden GTK einzumischen, entwickelt Gnome jetzt eine Art Zusatzschicht, auf die Anwendungen aus dem Projekt zurückgreifen können, während GTK Gnome-unabhängiger und in eigenem Tempo weiter entwickelt werden könnte.

    Das ist ja wirklich schön und gut, sicherlich eine gute Idee und für die Zukunft vermutlich auch sehr wichtig, wenn verschiedene und eben nicht immer gleiche GTK-Oberflächen nebeneinander existieren wollen. Trotzdem frage ich mich, warum Gnome wieder einmal mit der eigenen Designphilosophie andere Projekte mitziehen muss: Wer ein libadwaita-Programm unter Xfce oder Mate nutzen möchte, bekommt den Anwendungsstil von Gnome präsentiert. Somit hat man eine visuelle Abhängigkeit zum Gnome-Umfeld geschaffen und kann nun davon ausgehen, dass die visuelle Einheit anderer Desktops massiv darunter leidet. Immerhin möchte Gnome ja ausdrücklich nicht “gethemed” werden.

    Sicherlich ist es schön und gut, dass die grundlegende Technologie jetzt weniger von Gnome abhängt. Aber was nützt dass, wenn die Anwendungsebene wieder neue Hürden schafft und der Modularität auf dem Linux-Desktop wieder Steine in den Weg legt und Stöcke in die Speichen steckt. Mittlerweile ist es sogar leichter, Qt-Anwendungen über das entsprechende Plattformthema in eine GTK-Umgebung wie Xfce zu integrieren, als das mit libadwaita-Programmen möglich wäre, die ja technisch eigentlich enger bei einander liegen.

    Unterm Strich bleiben das natürlich nur Beobachtungen. Ich frage mich nur, wie ich mir in Zukunft einen konsistenten Desktop zusammenschustern möchte, wenn ich nicht sofort eine Suite an Gnome- bzw. KDE-Anwendungen mitnutzen möchte.

    Danke Gnome für die Innovation; schade das ihr immer wieder mit Standards brecht. Die Diskussion um die verschiedenen Toolkits wird wohl nicht abflachen, wenn alle immer alles besser wissen und auf den nächsten aber vielleicht grundlegend wichtigen Standard pfeifen oder sich zumindest die Konsequenzen der Innovation nicht vor Augen führen wollen.

    Übrigens nutze ich auch gerne Gnome und KDE. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen die Projekte hätte, im Gegenteil. Es ist bloß Schade, dass der Fortschritt eines großen Projekts so oft auf Kosten der kleineren von Statten zu gehen scheint.


  • Gedanken zum „FocusWriter“

    Einsortiert in: ,

    Anwendungen wie der „FocusWriter“ erwecken in mir immer wieder das Bedürfnis zu schreiben; wenn mir dann aber wieder einmal ein triftiges Thema fehlt, schreibe ich nicht selten einfach über die Anwendung selbst. Was macht den FocusWriter also besonders? Eigentlich ist er ja nur ein aufgeblasener Texteditor mit Hintergrundbild, ein möchtegern Büroprogramm. Doch ist das wirklich so? Bietet der FocusWriter nicht doch mehr, als man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte?

    Diese Fragen lassen sich nicht mit einem simplen Ja oder Nein beantworten: Man merkt dem Programm an unzähligen Ecken und Enden an, dass es für einen sehr speziellen Anwendungsfall, für eine sehr spezielle und doch nicht näher definierte Zielgruppe entwickelt wird: Mit dem FW wird wohl niemand Code oder Config-Dateien editieren wollen, außer vielleicht die drei Masochisten, die diesen Text hier lesen. 😀

    Der FW ist nach meiner Auffassung nicht dafür gedacht, herkömmlichen Texteditoren wie Vim oder Emacs den Rang abzulaufen. Daher fällt es auch schwer, die Anwendung mit anderen zu vergleichen. Einerseits lassen sich auch hier altbekannte Funktionen einer klassischen Textverarbeitungssoftware nutzen, andererseits wird FW derartig simpel präsentiert, dass man niemandem einen Vergleich mit einem einfachen Texteditor verübeln kann.

    Für mich sitzt der FocusWriter zwischen den Stühlen; weder ist er ein klassisches Büroprogramm, noch ein herkömmlicher Editor. Der FocusWriter richtet sich an Autoren, die viel mit langen Texten zu tun haben und möchte dabei den Fokus wieder auf den eigentlichen Text legen, anstatt auf die Bedienelemente. Alle Menüs sind standardmäßig mit einem intelligenten Ausblenden versehen, so das diese beim eigentlichen Schreiben überhaupt nicht auffallen. Einblenden lassen sich diese nur, wenn man die Maus an die Bildschirmränder schubst; beim Schreiben soll man diese ja eigentlich in Ruhe lassen.

    Sicherlich könnte man für diesen Anwendungsfall auch einfach ein Terminal öffnen und Vim starten, die Frage ist aber, ob man das will: Ich zum Beispiel brauche beim Schreiben eine ständige Rechtschreibkontrolle; ich habe keine Lust, einen Text nur wegen etwaiger Rechtschreibfehler noch einmal zu redigieren.

    Wenn ich eine entsprechende Funktion in Vim nutzen möchte, ergeben sich für mich einige Nachteile: Einerseits unterlegt Vim Rechtschreibfehler einigermaßen aggressiv, anstatt einer dezenten Linie, die ich mir im FokusWriter auf ein unauffälligeres Grau gesetzt habe, schreit mich Vim regelrecht an, wenn ich einen Tippfehler mache: Vim markiert bei einem Fehler das ganze Wort in einem knalligen rot, was sofort jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.

    Ein weiteres Problem ist die Universalität von Vim: Wenn ich den Editor sowohl für kreative Texte als auch für herkömmliche Anwendungsbereiche, sprich: Configs und Code, verwenden möchte, komme ich schnell in ein Einstellungsdilemma:

    Einerseits möchte ich bei kreativen Texten dauerhaft eine Rechtschreibprüfung eingeschaltet wissen, andererseits stört diese extrem, wenn man englischsprachige Config-Dateien editiert: Wenn ich die Rechtschreibprüfung also in meine Vimrc eintrage, müsste ich in vielen Fällen diese Vorgabeeinstellungen wieder rückgängig machen. Wenn ich nichts eintrage, müsste ich in vielen Fällen zwei Parameter setzen, bevor ich anfangen kann. Das liegt in der Natur dieser Einstellungen, kann aber auch sehr schnell sehr nervig werden.

    Auch die grafischen Texteditoren der verschiedenen grafischen Oberflächen sind in dieser Hinsicht nicht der Weisheit letzter Schluss: Einerseits sind diese häufig vollkommen überfüllt mit Knöpfen, Untermenüs und Optionen, die um die Gunst verschiedenster Entwickler zu buhlen scheinen; andererseits bieten sie wenige Funktionen, die sich konkret an Autoren richten. Sicherlich könnte ich meine Texte auch in Kate, Mousepad oder Plume schreiben — die Frage ist nur, ob ich das auch möchte.

    Ich jedenfalls finde den Ansatz, den der FocusWriter verfolgt ziemlich ansprechend, vielleicht liege ich damit auch genau in der Zielgruppe der Anwendung. Unterm Strich sollte aber klar sein: Wenn man den FocusWriter nutzen möchte, stehen alle Türen offen, die Anwendung ist natürlich freie Software, veröffentlicht unter der GPL.

    Und wenn man für sich selbst keinen sinnvollen Anwendungszweck darin finden kann, ist das auch vollkommen in Ordnung: Jedem das seine. 🙂


  • Gedanken zu Gnome, Teil eins

    Einsortiert in:

    Der Gnome-Desktop bleibt kontrovers: Einerseits ist das Projekt eines der fortschrittlichsten in der gesamten Gemeinschaft freier Software, egal, was Designkonzepte von heute und morgen oder auch die unterliegenden Technologien angeht: Gnome scheint in die Zukunft zu schauen und visionär antworten zu wollen.

    Anstatt wie KDE oder Xfce die klassische Metapher einer grafischen Oberfläche für Desktop- und Laptopsysteme zu bedienen, geht Gnome einen eigenen Weg, der sich mal mehr, mal weniger an den bekannten Ansätzen von IBM, Microsoft, Apple oder Unix zu orientieren scheint. Gnome ist dabei eindeutig wiederzuerkennen, hebt sich von der Masse ab, ist kein Duplikat. Doch was zunächst als Vorteil erscheinen mag, kann Gnome auch schnell auf die Füße fallen, spätestens seit der intitialen Veröffentlichung der dritten Generation des Zwergendesktops.

    Die Beständigkeit, die sich anhand der zweiten Generation der Oberfläche nachvollziehen lässt, ist aus heutiger wie damaliger Sicht kaum noch bemerkbar, wenn man sich die Ideen von Gnome 3 vor Augen führt. Gleich geblieben ist bis heute aber das Mantra des „weniger ist mehr“, dass Gnome heute wie kein anderer Desktop verinnerlicht hat.

    Dabei ist Gnome nicht sonderlich leichtgewichtig, auch nicht unausgereift oder funktionslos; nein, die Optionen, die der Desktop bietet, werden bloß sehr selektiv angezeigt: Beispielsweise kann ein einfarbiger Hintergrund in Gnome v3.38 lediglich über die gsettings-Datenbank gesetzt werden, nicht über eine offizielle grafische Oberfläche. Erweiterungen, die Gnome de facto zu einem der anpassungsfähigsten Desktops machen, sind in den meisten Fällen inoffizielle, wenn auch sehr beliebte Lösungen, die allerdings schon nach einem einzigen Update der Vergangenheit angehören können:

    Gnome hat seine eigene Meinung, wie der GNU/Linux-Desktop zu betrachten und zu benutzen ist; dabei macht man sich nicht immer Freunde, große Neuerungen werden zumindest bei einigen nicht mit der Euphorie wahrgenommen, die man ihnen womöglich doch zugestehen sollte: Gnome ist kontrovers.

    Meine persönliche Beziehung zur Zwergenoberfläche ist dabei ebenso ambivalent: Einerseits kommt mir Gnome sehr vollständig vor, andererseits fehlen an manchen Ecken und Enden die Dinge, die ich dort erwartet hätte. Sicherlich bietet Gnome eine vollständig Umgebung verschiedenster Anwendungen, und doch ist diese nicht so vollständig wie z.B. bei KDE.

    Xfce ist und bleibt eine der beständigsten Umsetzungen der Desktop-Idee, Gnome bleibt ein interessanter Ansatz. Mich zu begeistern schaffen beide Projekte immer wieder, mich festzulegen fällt mir aber auch sehr schwer. Und dann ist da natürlich noch der Mate-Desktop, der als Fortsetzung des mittlerweile Abgelösten Gnome v2 eine ebenfalls konsistente und entgegen vieler Meinungen durchaus daseinsberechtigte Oberfläche für den Laptop und Desktop bietet.

    Sich festzulegen fällt mir immer wieder schwer, wenn es um die verschiedenen Oberflächen geht, auch da sich alle stets zu verbessern scheinen. GNU/Linux lebt zu einem nicht zu unterschätzenden Teil von seiner Community, also auch von dem Herzblut, das in die einzelnen Projekte fließt, von der Zeit, die die Entwickler und Beitragenden den Projekten nicht selten ehrenamtlich spenden.

    Nur wegen eigenwilligen Bedienkonzepten in eine Welle der Shitstorms zu verfallen, halte ich für schwierig, wenn auch nachvollziehbar. Jede Idee hat ihren Preis, jede Implementierung ihre Schwächen. Jeder Desktop seine Fehlerchen und Macken.

    Ich habe mir heute wiedereinmal Debian 11 mit Gnome v3.38 installiert und bin doch angetan von den Konzepten, die die Oberfläche umsetzt. Sicherlich ist Gnome nicht zu ein- aber damit auch nicht zu verstellbar wie KDE, sicher ist Gnome auf den ersten Blick nicht so leichtgewichtig wie Xfce, und doch bieten sich auf dem grafischen Kobold einige Vorteile: Die Umsetzung von virtuellen Arbeitsfläche ist bei Gnome beispielsweise noch immer besser als bei den meisten anderen Oberflächen; mit besser meine ich dabei subjektiv besser: Die Arbeitsflächen von Gnome sind standardmäßig dynamisch, das heißt nur dann vorhanden, wenn sie auch wirklich gebraucht werden. Dabei vermittelt aber gerade das Konzept der Aktivitäten den Eindruck, man solle diese doch einfach einmal stärker in den eigenen Benutzungsfluss einbauen: Und ja, das funktioniert sehr angenehm.

    Besonders interessant sind auch die Tastenkürzel, die Gnome von Beginn an ausrollt: So werden etwa die im Dash verankerten Favoriten mit einer Nummer versehen. Daraufhin können sie mit der Tastenkombination Super+[Nummer] ausgeführt werden: Wenn also der erste Starter ein Terminal ist, kann dieses einfach mit Super und ‚1‘ gestartet werden. Darauf muss man ersteinmal kommen, immerhin sind diese Starter dabei dynamisch besetzbar, wechseln also ihre Belegung, wenn ich die favorisierten Anwendungen umsortiere – sehr interessant, sehr praktisch.

    An dieser Stelle möchte ich auch noch ein paar Worte zu dem Wechsel verlieren, den Gnome seit der in Debian 11 enthaltenen Version 3.38 vollzogen hat: Ab Gnome 40 ist man im Projekt von der Gnome-v3-typischen vertikalen Anordnung der Arbeitsflächen zu einer klassischeren horizontalen Auslegung gewechselt.

    Diese Änderung sehe ich persönlich als Fluch und Segen zugleich; einerseits ist das horizontale Verhalten im Wesentlichen doch intuitiver, andererseits erhöht man so auch die Mauswege dramatisch, soll das Dash dann doch noch einmal erreicht werden.

    Auf einem realen Schreibtisch legt man Dokumente, an denen man gerade nicht arbeitet natürlich auch eher zur Seite als nach hinten, andererseits ist auch die Frage, ob diese Analogie auf einem digitalen Schreibtisch sonderlich sinnvoll ist.

    Möchte ich in Gnome v43 das Dash ohne Zuhilfenahme der Super-Taste erreichen, muss ich bekannter Weise zunächst den Mauszeiger in die obere linke Ecke schleudern, kann ihn dann aber nicht einfach an der linken Bildschirmkante entlangwandern lassen, sondern muss zuerst den halben Bildschirm abfahren, um an die untere Bildschirmkante zu gelangen.

    Fairerweise muss man dazusagen, dass sich die Beschleunigung der Maus dabei sehr zu Nutze machen lässt, was die Mauswege an sich dann doch verringert. Auch die verbesserte Unterstützung für Touchpads hilft auf einem Laptop schon sehr. Außerdem nutze ich die hauseigenen Erweiterungen „Anwendungs-“ und „Orte-Menü“, die die obere Leiste logisch und sinnvoll erweitern. Glücklicherweise sollten diese bei Versionsaktualisierungen auch nicht kaputt gehen, immerhin kommen sie direkt von Gnome selbst.

    Wie dem auch sei: Gnome ist und bleibt spannend, ob ich den Desktop langfristig einsetzen möchte, weiß ich noch nicht, allerdings ist er immer wieder einen Blick wert, und das entgegen der landläufigen Meinungen.

    Gnome läuft unter Debian sehr flüssig, Anwendungen starten wesentlich schneller als unter KDE, teilweise auch flotter als unter Xfce; das Bedienkonzept ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, macht es dann doch viel Spaß. Was die zukünftigen Entwicklungen angeht, die das Gnome-Projekt in absehbarer Zeit einschlagen wird, bin ich noch unentschlossen, nichtsdestotrotz aber offen für Neuerungen. Was ich genau von libadwaita, GTK4 und den vielen anderen, manchmal dann doch visionären Ansätzen des Projekts halten soll, wird die Zukunft schon zeigen. 😀


  • (Kurze) Gedanken zu künstlichen Pseudo-Intelligenzen

    Einsortiert in: ,

    In der letzten Zeit sind Web-Dienste, die auf künstlichen neuronalen Netzwerken, landläufig künstliche Intelligenzen genannt, immer bekannter geworden. Besonders hervor stechen dabei die künstlichen Künstler, Algorithmen also, die anhand bestimmter angegebener Kriterien und einer entsprechenden Datenbank Bilder generieren — in einem bestimmten Stil, zu einem bestimmten Thema, mit einer unbestimmten Intention. Ich persönlich weiß nicht, was ich davon halten soll:

    Einerseits sind derartige Dienste wirklich faszinierend, die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben scheinen unergründlich und irgendwie endlos, auch wenn natürlich klar ist, dass eine kI immer nur so “gut” sein kann, wie die Gesamtheit an Daten, mit denen sie gefüttert wurde. Die Frage ist: Geht die kI über diese Gesamtheit hinaus? Ist sie in der Lage, Informationen durch neuartige Kombinationen zu neuen Daten umzuformen? Ich weiß es nicht, in bin bei diesem Thema nun wirklich kein Experte, ich habe nicht das nötige Wissen, derartige Dienste und Ansätze zu bewerten, egal ob in technischer oder künstlerischer Hinsicht.

    Aber auch ich mache mir dazu meine Gedanken; allein schon weil sich kI-en so ein gutes Stück in die öffentliche Wahrnehmung meines Umfelds geschoben haben, gerade im Netz. Ich frage mich, ob künstliche Intelligenzen dieser Art ein Segen sind: Lebt nicht gerade Kunst davon, neu Erschaffen zu werden, zumindest in dem Glauben, eine vermeintlich eigene Idee kreativ umzusetzen? Lebt Kunst nicht zumindest in Teilen davon, die Intentionen der Künstlerin widerzuspiegeln? Ich weiß es nicht.

    Der neue heiße Kot scheint, nach der Umsetzung künstlicher Kunst, die Ummodellierung eigener Text durch eine kI zu sein: Caschy’s Blog thematisierte neulich zum Beispiel “DeepL Write”, das eigene Texte “verbessern” soll. Einfach einen Abschnitt markieren, einfach einen “besseren” Stil reingedrückt bekommen. Ich. Weiß. Nicht. Was. Das. Soll!

    Kann eine künstliche Intelligenz nicht auch nur so schlecht funktionieren, wie der Durchschnitt seiner Datengrundlagen? Warum wird es ernsthaft als Verbesserung gehandelt, wenn eine vielleicht angeschimmelte Datenbank, die deswegen auf einmal Beine bekommen hat, einen charackterlosen Stil in jeden Text presst, jede Individualität für einen vermeintlichen Vorteil aufgibt? Wie soll das ablaufen?

    Sage ich dann: Joa, liebe kI, schreibe das bitte in meinem Stil um, ach nee warte, den habe ich ja schon vor zwei Monaten an dich abgegeben; dann schreibe mir das bitte im unschlagbaren Stil eines Tweets von Donald Trump, der kann doch auch mit inhaltlichem Kot total viele Leute für sich gewinnen; liebste kI, sei doch so gnädig. Amen.

    Merkt ihr selbst, oder??