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Social Media: Hat Bluesky Twitter abgelöst?

Seit über einem Jahr ist die Microblogging-Plattform Bluesky öffentlich zugänglich. Weil Elon Musk Twitter zu X umgebaut hat, haben viele Nutzer·innen ihre Profile zu Bluesky umgezogen. Auch ich habe mir einen Account angelegt und Bluesky ausprobiert. Anfang Februar haben die Entwickler·innen nun bekannt gegeben, dass ihre Plattform 30 Millionen Accounts zähle.

30M users 1B posts 🤝 bluesky milestone achieved this week

Bluesky (@bsky.app) 2025-02-01T21:56:48.783Z

Der Erfolg spricht für Bluesky – aber ist die Plattform wirklich schon zum neuen Twitter geworden? Und wie steht es eigentlich um Mastodon und Threads, also die großen Konkurrenten von Bluesky? Mehr dazu, in diesem Beitrag:

Bluesky kann technisch mithalten

Bluesky hat sich in den vergangenen Monaten stetig weiterentwickelt: Während anfangs noch Hashtags und Direktnachrichten fehlten, haben die Devs mittlerweile die meisten grundlegenden Funktionen nachgeliefert. Eine Trend-Seite steckt noch in der Entwicklung, aktuell werden nur wichtige Themen der englischsprachigen Community erfasst.

Blue Sky“ von Jeffrey Betts/ CC0 1.0

In der Aufmachung erinnert Bluesky stark an Twitter: Die Zeichenzahl für Posts ist begrenzt, pro Beitrag sind 300 Zeichen möglich. In die Beiträge lassen sich Bilder, Videos und mittlerweile auch GIF-Dateien einbinden. Auch das Farbschema haben die Entwickler·innen offensichtlich Twitter entlehnt: Auf Bluesky dominieren blau und weiß, wahlweise kann man die App aber auch in dunklen Farbmodi nutzen.

An anderen Stellen setzt Bluesky eigene Akzente. Ein Beispiel hierfür sind die Feeds in der App: Darin können verschiedene Accounts gesammelt, oder auch Beiträge zu einem bestimmten Thema erfasst werden. Die Funktion ist recht umfangreich; für einfache Profil-Sammlungen bietet Bluesky auch klassische Listen an. Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal ist die Technik hinter Bluesky. Mit dem „at-Protokoll“ möchte sich Bluesky in Zukunft dezentral weiterentwickeln.

Funktional kann Bluesky mittlerweile durchaus mithalten. Man merkt, dass die App noch weiterentwickelt wird. Vor allem eine deutschsprachige Trends-Sektion erwarte ich sehnsüchtig. Für einen einfachen Anwender sind die technischen Innovationen hinter Bluesky vermutlich weniger relevant. Zuspruch dürfte die optische Ähnlichkeit zu Twitter bekommen, damit wirkt Bluesky vertrauter.

Szene-Medium für Journalismus und Politik?

Genutzt wird Bluesky derzeit vor allem von Politiker·innen, Journalist·innen und anderen Medienschaffenden – so zumindest mein Eindruck. Im Gegensatz zu Mastodon finden sich auf Bluesky mittlerweile viele große Namen, auch wenn einige Accounts lange nicht aktiv waren. Manche Medien haben es nie auf Mastodon geschafft – auf Bluesky unterhalten sie offizielle Profile. Das trifft auf private Medienhäuser wie den Spiegel genauso zu, wie auf öffentlich-rechtliche Anstalten wie den RBB.

Dass jedes Medium bei Bluesky postet wie einst bei Twitter – das ist aber noch lange nicht der Fall.

Auch Politiker·innen haben Bluesky mittlerweile für sich entdeckt. Hier finden sich Parteiaccounts und auch individuelle Profile. Selbst Insitutionen wie das Finanz-, Wirtschafts- oder Verkehrsministerium sind vertreten. Auffällig ist, dass Parteien im linken Spektrum nach meinem Eindruck mehr Accounts aufgebaut haben, als etwa CDU, FDP oder gar AfD.

Bluesky wirkt insgesamt eher linksliberal. Anfangs wurden auch gezielt Nutzernamen von rechten Akteuren besetzt, damit sich diese vorerst nicht bei Bluesky beteiligen. Wirksam kann das aber nicht sein, weil auch einfach eine offizielle Webseiten-URL als Handle benutzt werden kann. Dennoch ist Bluesky weiter progressiv geprägt. Eher links denkende Menschen kehren wohl auch eher X den Rücken.

Bluesky hat sich zu einer Plattform für Medien und Politik entwickelt. Vor allem für Menschen, die mit Mastodon nie wirklich warm geworden sind. Ich nutze beide Plattformen auch entsprechend, so schreibe ich auf Mastodon eher technische Beiträge, zum Beispiel zu freier Software. Auf Bluesky diskutiere ich lieber über politische Themen, auch wenn sich das überschneidet.

Nutzerzahlen: Bluesky vor Mastodon, hinter Threads

Vermutlich spricht Bluesky also zumindest im deutschsprachigen Raum ein spezifisches Publikum an. Durch diese Zielgruppe kommt auf der Plattform auch keine Beitrags-Flaute auf: Nachrichten gibt es immer, und Diskussionen dazu auch.

Social media applications mobile screen“/ CC0 1.0

Mit 30 Millionen Nutzer·innen bleibt Bluesky weiterhin stark hinter X zurück. Die Musk-Plattform soll 2024 noch immer 388 monatlich aktive Nutzer·innen gehabt haben. Nutzerzahlen lassen sich aber nicht einfach mit monatlich aktiven Nutzer·innen vergleichen. Dennoch sollte der Maßstab bei diesen Zahlen klar sein. Wichtig ist aber: Bluesky wächst, X schrumpft offenbar.

In der breiten Bevölkerung war Twitter in Deutschland nie so verbreitet wie Instagram, Facebook oder TikTok. Bei Bluesky ist das auch so, und es wird sogar noch deutlicher. Auch hinter der Unterhaltungsplattform Threads von Meta bleibt Bluesky weit zurück. Threads kam vor gut vier Wochen auf 320 Millionen monatlich aktive Nutzende, wie aus einem Post von Insta-Chef Adam Mosseri hervorgeht. Instagram und Threads sind eng verwoben, das dürfte dem Microblogging-Dienst zugute kommen. Denn Instagram-Nutzer·innen brauchen nur wenige Klicks zum eigenen Threads-Account.

Der Fediverse-Dienst Mastodon ist hierbei weit abgeschlagen. Am 27. Februar vermeldet die Mastodon-Webseite etwas mehr als 980.000 monatliche aktive Nutzer·innen.

Social Media bleibt in Bewegung

Auch wenn ein Vergleich nicht immer leicht ist, die Tendenz ist klar: X wird noch immer viel benutzt, Bluesky ist eine aufstrebende Plattform. Mastodon und das Fediverse bedienen derzeit eindeutig eine Nische. Threads profitiert vermutlich von der Instagram-Userbase. Mastodon und Threads lassen sich aber über das ActivityPub-Protokoll verbinden. Und mittlerweile kann man auch eine Brücke zwischen Bluesky und Mastodon bauen.

Mit Threads scheint Meta eine Unterhaltungsplattform entwickelt zu haben. Mastodon und das Fediverse bleiben wohl die erste Anlaufstelle für Netzthemen und die FOSS-Community. X ist noch lange nicht tot, aber auch längst nicht mehr der Platzhirsch von einst. Bluesky ist noch nicht das neue Twitter. Für politische und journalistische Inhalte und Diskussionen wird der Dienst aber immer relevanter.

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Threads und Threats

Der vorliegende Meinungsartikel bezieht sich auf einen „heise online“-Beitrag.

Für das Fediverse wird es jetzt ernst: Wie heise online berichtet, beginnt der Facebook- Meta-Konzern nun damit, seine neue Anwendung „Threads“ auf die Welt loszulassen. Mit dem neuen Kurznachrichtendienst möchte Facebook Meta auch das Fediverse-Protokoll ActivityPub implementieren. In der Europäischen Union soll Threads allerdings nicht verfügbar gemacht werden, zumindest vorerst. Bei heise ist dazu zu lesen, dass der neue Dienst wohl grundlegend nicht mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar sei.

Threads könnte die Nutzerzahlen des offenen Standards ActivityPub zwar deutlich in die Höhe treiben. Wie aber das Fediverse von der nunmehr kommerziellen Konkurrenz beeinflusst wird, bleibt vorsichtig abzuwarten. Ich habe auf diesem Blog bereits dazu geschrieben, dass Großkonzerne wie Facebook Meta durchaus eine Gefahr für die freien sozialen Netzwerke darstellen könnten. Dass Threads jetzt so schnell eingeführt werden soll, überrascht mich ehrlich gesagt ein wenig.

Umso interessanter und deutlicher ist, wie sich die Plattform aus datenschutzrechtlicher Sicht schon vor einem breiten Start darstellt: Wenn Facebook Meta einen EU-Launch zunächst ausschließt, spricht das meiner Meinung nach schon Bände. Ich habe bereits in meinem ersten Text zu diesem Thema das eine grundlegende Problem beschrieben: Die Konzerne, die jetzt mit den etablierten Fediverse-Diensten wetteifern, handeln und entwickeln aus einer völlig anderen Intention heraus. Mastodon soll hier als Beispiel dienen: Dieser Dienst ist quelloffen und wird heute darüber hinaus von einer gemeinnützigen GmbH weiterentwickelt. Facebook Meta hingegen entwickelt die eigene Software nicht aus einem Wohltätigkeitsgedanken. Der Konzern ist ganz klar profitgetrieben, natürlich schlägt sich das auch in den entsprechenden Produkten nieder.

Wer im Vorfeld gehofft hat, dass Konzerne wie Facebook Meta das Fediverse als ganzes vorantreiben, dürfte spätestens jetzt ein wenig desillusioniert sein, oder? Das Fediverse basiert auf gemeinschaftlichen Anstrengungen und steht heute klar für seine ganz eigenen Werte: Dezentralität, Datenschutz und zumindest nach meiner Wahrnehmung auch Toleranz. Threads hingegen kommt mir eher wie der Versuch vor, die Technik des Fediverse zu nutzen, um am Gerüst dieses Netzwerks wackeln zu können. Mir kommt Threads bei all diesen Datenschutzbedenken eher wie eine Bedrohung für das bisher etablierte Fediverse vor. „Bedrohung“ lässt sich mit „Threat“ ins Englische übersetzen. Ist das nicht eine gewisse sprachliche Ironie?

Natürlich bleibt abzuwarten, wie sich die Situation genau entwickelt. Und wie im heise-Artikel bereits beschrieben wurde, ist auch fraglich, wie die EU von Threads abgekapselt werden könnte. Außerdem lege ich große Hoffnungen in die Grundfesten des Fediverse, die vermutlich auch die meisten Nutzerinnen und Nutzer mittragen. Das Fediverse ist gemeinschaftlich entstanden und gemeinschaftlich groß geworden. Ich hoffe, dass es auch unter diesen gemeinschaftlichen Aspekten fortbestehen kann. Dass das Fediverse für viele die soziale Netzwerkplattform geworden ist, die sie sich gewünscht haben, steht für mich außer Frage. Am Fediverse teilzuhaben war bisher maßgeblich ein persönlicher Entschluss. Auch wenn sich die Beweggründe unterscheiden mögen: Ein Großteil der Nutzer entscheidet sich vermutlich bewusst für das Fediverse. Ob das in Zukunft noch so aussehen wird, stellt Facebook Meta derzeit ziemlich in Frage (vgl. Instagram-Anbindung von Threads).

Auf der anderen Seite kann ich auch einen kleinen Funken Positivität an der Situation finden: Offene Protokolle bieten erst den Raum für Dezentralität. Wenn sich also auf der kommerziellen Seite nichts ändern würde, gäbe es vielleicht auch insgesamt weniger dezentrale Strukturen. Die Gefahr, die Bedrohung bleibt: Wenn der Schritt hin zur Dezentralität nur dazu dient, diese als ganzes zu untergraben, schaut das Fediverse in die Röhre. Jetzt abzuwarten wirkt für mich ein wenig frustrierend. Aber scheinbar lässt sich das gerade nicht vermeiden.