Schlagwort: Instanzen


  • Mastodon: Welche Rolle spielt die Größe einer Instanz?

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    Hinweis: Das ist ein Meinungsbeitrag.

    Jeder, der dem Fediverse beitreten möchte, muss sich zu Anfang eine ganz grundlegende Frage stellen: Wie komme ich da überhaupt rein? Das Fediverse ist eben dezentral – und die eine Webseite, auf der man sich anmelden und loslegen kann, gibt es nicht. Stattdessen besteht das Fediverse aus einer Vielzahl sogenannter „Instanzen“. Diese können von Organisationen wie Vereinen, aber natürlich auch Einzelpersonen betrieben werden. Je nach dem, für welchen Fediverse-Dienst man sich interessiert, ist die Auswahl da mitunter ziemlich groß. Bestes Beispiel ist und bleibt hier wohl Mastodon, was heute sicherlich die bekannteste Fediverse-Software darstellt.

    Abhängig davon, was man sich für die eigene Nutzung verspricht, bieten sich unterschiedliche Instanzen an.

    Am Beispiel Mastodon möchte ich hier darstellen, welche Rolle die Größe einer Instanz-Gemeinschaft bei der Auswahl einer Instanz spielen kann – und welche Vorteile große und kleine Server bieten. Hier sollte aber auch gesagt sein, dass es insbesondere bei Mastodon recht einfach ist, die eigene Instanz zu wechseln. Falls ihr mit diesem Gedanken spielt, könnten die folgenden Überlegungen aber auch für euch interessant sein.

    Grundlegende Unterscheidungen

    Bevor ich hier irgendwelche Vor- und Nachteile diskutieren kann, möchte ich einige wichtige Eckpunkte abstecken. Denn wie man die Größe einer Instanz beurteilt bleibt natürlich zu einem gewissen Maße recht subjektiv. Grundlegend schlage ich eine Unterteilung in kleine, mittelgroße und große Mastodon-Instanzen vor. Server, die nur für eine sehr kleine Community, zum Beispiel für den privaten Gebrauch, betrieben werden, möchte ich hier auslassen. Mir geht es um öffentliche Instanzen, die aktiv an der Föderation im dezentralen sozialen Netzwerk teilnehmen:

    • kleine Instanzen hosten dutzende bis hunderte Profile
    • mittelgroße Instanzen hosten hunderte bis einige tausend Profile
    • große Instanzen hosten zehntausende Profile oder mehr

    So viel ersteinmal zu den groben Rahmenbedingungen, die ich für diesen Artikel stecken möchte. Natürlich kann man sich über diese Einteilung streiten – und die Übergänge sind an vielen Stellen wohl auch fließend. Falls ihr die Einteilung vollkommen anders setzen würdet, freue ich mich über eure Kommentare. Allerdings muss ich mich auf einen gewissen Rahmen festsetzen, sonst würden meine Überlegungen überhaupt keinen Sinn ergeben. Ach ja, wenn ich schon dabei bin, mich aus der inhaltlichen Verantwortung zu ziehen: Das, was ich hier in diesem Beitrag schreibe, basiert natürlich ganz grundlegend auf meinen eigenen Erfahrungen.

    Ich habe meinen Mastodon-Account selbst bereits einige Male umgezogen. Die größe der Instanzen war dabei oftmals ein Faktor, den ich zumindest im Hinterkopf hatte. Natürlich ist das, was ich auf meinen bisher genutzen Instanzen gesehen und erlebt habe, nicht repräsentativ – aber einen Einblick sollten diese Erfahrungswerte doch gewähren.

    Klein aber fein?

    Kleine Instanzen stehen meiner Ansicht nach in erster Linie für die Community, die sich auf ihnen tummelt. Vielleicht lässt sich das ein bisschen mit einer stereotypen Dorfgemeinschaft vergleichen, in der sich jeder kennt – und manche womöglich auch ziemlich gut leiden können. Gerade, wenn man auf die eigene lokale Timeline schaut, halte ich es für einfacher, in einer kleineren Gemeinschaft neue Kontakte zu knüpfen und dauerhaft zu halten. Wer auf einer kleinen Instanz die lokale Timeline beachtet, kann meiner Meinung nach schnell von einem durchaus positiven Gemeinschaftsgefühl eingeholt werden. Immerhin hat man ja mit den Leuten auf diesem Server schon ganz grundlegend etwas gemein – man hat sich die selbe Fediverse-Instanz ausgesucht. Solange sich derartige Communities nicht abkapseln und gar in eine elitäre Richtung abgleiten, würde ich das durchaus als einen Vorteil betrachten.

    Auch auf technischer Ebene sehe ich einige Vorteile in kleineren Instanzen. Denn wenn sich auf einem Server weniger aktive Profile befinden, lastet auf den Moderatoren dieser Instanz potentiell auch weniger Verantwortung. Im Internet eine Nutzergemeinschaft zu moderieren kann anstrengend sein, weil man auch bei Inhalten nicht wegschauen kann, die man eigentlich nicht sehen möchte. Ich habe zwar selbst noch nicht auf einem Mastodon-Server moderiert, aber gebe seit einiger Zeit im Team mit einigen anderen Kommentare auf GNU/Linux.ch frei. Das ist bekanntlich eine eher technik-fokussierte Seite, und doch finden sich immer wieder kontroverse Meinungen und unangenehme Aussagen, manchmal auch Beleidigungen. Und all diese Kommentare wollen ebenso moderiert werden. Bei Mastodon stelle ich mir das nicht anders vor, vielleicht sogar noch einen Zacken anstrengender, weil es dort oft um den direkten Austausch mit anderen geht.

    Wenn eine Mastodon-Community nun klein ist, ergibt sich wohl zwangsläufig etwas mehr Übersichtlichkeit für die Moderation – und das halte ich für sehr sinnvoll. Ja, im Grunde ist das einer der vielen Vorteile, die das Fediverse meiner Meinung nach gegenüber den großen kommerziellen Social-Media-Diensten bietet. Dezentralität kann eben nicht nur die Server-Last verteilen, sonder vielleicht auch die Belastung für einzelne Moderatoren mindern.

    Übersichtlichkeit ist ein gutes Stichwort. Gerade aus Nutzerperspektive finde ich es wichtig, auf die lokale Timeline eines Servers zu achten. Ganz persönlich lege ich Wert darauf, dass ich mich auf einer Instanz wohlfühlen kann. Kurz: Ich möchte keine Instanz nutzen, deren Inhalte ich selbst nicht mit ansehen kann. Dieser Wohlfühl-Faktor ist aber nur ein Aspekt dieser Frage. Ein weiterer wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach, wie stark frequentiert eine lokale Timeline ist. Das ist die Übersichtlichkeit, die ich meine. Auf manchen kleinen Instanzen liegen die einzelnen Beiträge in den lokalen Timelines teils Stunden auseinander – auf größeren Servern bekommt man hier manchmal jede Minute neue Inhalte zu Gesicht.

    Ich habe die wenigen Beiträge in den lokalen Timelines allzu kleiner Instanzen oft mit Langeweile gleichgesetzt. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kann ich mich eigentlich damit anfreunden: Wenn die lokale Timeline scheinbar nie zur Ruhe kommt – wo bleibt denn da die Zeit, sich mit den eigentlichen Inhalten auseinanderzusetzen? Kann es nicht auch Vorteile haben, mit etwas weniger Hektik im Alltag umgehen zu müssen? Ich finde, dass es dem eigentlichen Austausch und der Diskussionskultur als solches durchaus gut tun könnte – aber das bleibt natürlich eine subjektive Einschätzung. Beiträge in den sozialen Netzwerke verstehe ich oft als Schall und Rauch. Aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, auf den Schall zu hören und die Rauchzeichen zu entziffern.

    Kleine Instanzen stehen für mich für eine besonders vitale Form der Föderation im Fediverse. Denn je größer eine Instanz ist, desto mehr Verantwortung lastet auf deren Administratoren – und desto mehr Kontrolle fällt ihnen im Fediverse zu.

    Die goldene Mitte?

    Mittelgroße Server sind gerade bei Mastodon ziemlich verbreitet. Wenn eine Instanz einmal Fahrt aufgenommen und Beachtung geschenkt bekommen hat, ist es nachvollziehbar, dass sich das herumspricht. Ich habe lange zum Beispiel die Instanz social.anoxinon.de benutzt, oder den Server troet.cafe. Im Grunde sind beide Instanzen sehr interessant, in der Regel freundlich und auch gut moderiert. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich ab einer gewissen Instanzgröße nicht auch gewisse Nachteile ergeben könnten, sowohl für die Nutzerschaft als auch für die Moderation.

    Denn wo mehr Nutzer unterwegs sind, finden potentiell auch vermehrt Diskussionen in der lokalen Timeline statt – und die Verantwortung bei den Moderatoren steigt. Natürlich ist es immer möglich, eine Instanz gemeinsam mit anderen zu moderieren, und nicht alleine. Aber trotzdem bleibt das Grundprinzip hier das gleiche. Meiner Meinung nach können Mastodon-Instanzen auch ein Stück weit als ein öffentlicher digitaler Raum verstanden werden. Dass Einzelpersonen oder Vereine diese ehrenamtlich oder spendenfinanziert bereitstellen, rechne ich ihnen hoch an. Allerdings denke ich auch, dass mit der Entscheidung, eine öffentliche Instanz zu betreiben, auch eine gewisse Verantwortung einhergeht.

    Aus der Nutzerperspektive können mittelgroße Instanzen auch ihre Vorteile bergen, immerhin ist es potentiell leichter möglich, unterschiedliche Leute in der lokalen Timeline kennenzulernen, wenn die Nutzerbasis größer ist. Ich möchte hier nicht auf die thematischen Ausrichtungen verschiedener Server eingehen, sondern nur auf die statistische Wahrscheinlichkeit hinweisen. Allerdings verschwinden mit steigenden Nutzerzahlen eventuell auch die potentiellen Vorzüge, die kleine Instanzen für den Austausch in einer Gemeinschaft bergen können.

    Ich habe selbst bisher eigentlich vermehrt positive Erfahrungen auf mittelgroßen Servern gemacht, auch wenn ich eher zu kleineren Instanzen tendiere. Am Ende des Tages muss das natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Um einen Server auszuprobieren, muss man nicht gleich den eigenen Account umziehen. Aber wenn man sich mit der lokalen Timeline eines Servers vertraut gemacht hat, ist das natürlich problemlos möglich.

    Groß und stark?

    Große Mastodon-Instanzen sind für mich ein zweischneidiges Schwert. Für mich überwiegen eigentlich eher die nachteile besonders großer Server wie etwa mastodon.social oder mstdn.social. Ich möchte hier gar nicht gegen die Communities oder die Moderatoren auf diesen Servern wettern. Mir geht es hier eher um prinzipielle Aspekte.

    Was die oben beschriebenen Punkte angeht, könnte man große Instanzen als das Gegenstück zu den kleinen Servern sehen, während die mittelgroßen Instanzen den Zwischenweg darstellen. Allerdings lassen sich meiner Ansicht nach bestimmte Vorfälle aus der Vergangenheit nicht einfach ausblenden, wenn wir über große Instanzen diskutieren wollen.

    Als Elon Musk beispielsweise Twitter gekauft hat, konnte man im Fediverse objektiv massive Nutzerwellen hin zum Flaggschiff-Server mastodon.social feststellen. Natürlich war es für mich als Fediverse-Enthusiasten schön mit anzusehen, dass Mastodon endlich mehr Aufmerksamkeit gewinnen konnte. Aber die Folge dieser konzentrierten Anstürme auf mastodon.social waren eben auch, dass die Performance des Servers deutlich gesunken ist. Technisch haben die vielen neuen Nutzer also mehr oder minder gemeinsam dafür gesorgt, dass ihre Nutzungserfahrung mit Mastodon schlechter war, als sie es hätte sein müssen. Wenn sich die Last auf mehrere Server verteilt hätte, wäre sie wohl leichter zu händeln gewesen.

    Noch heute ist mastodon.social eine der größten Fediverse-Instanzen überhaupt. Ich möchte hier auch niemandem absprechen, einen Account auf dem Server zu unterhalten; ich habe mich ja selbst schon einmal dort ausprobiert. Allerdings finde ich es schade, dass das grundlegende Konzept der Dezentralisierung hier so unbeachtet geblieben ist – vermutlich weil viele neue Nutzer damit noch keine Erfahrungen mit Aha-Effekt gesammelt hatten.

    Performance-Probleme sind aber nicht die einzige negative Folge, die sich meiner Meinung nach inkonsequente Dezentralisierung zurückführen lässt. Vor ein paar Monaten ging von mastodon.social auch eine Spam-Welle aus. Damals war der Server wohl schon groß genug, um für digitale Trickbetrüger interessant genug zu sein. Mit Crypto-Scam-Links versehen gingen damals Spam-Nachrichten auch an Nutzer anderer Server heraus. Wenn ich mich richtig erinnere, musste die Moderation meines damaligen Servers dresden.network die Föderation mit mastodon.social temporär kappen, um die eigenen Nutzer vor den Scam-Nachrichten zu schützen. Das finde ich ziemlich traurig.

    Hier zeigt sich wieder, welche Verantwortung den Admins und Moderatoren von öffentlichen Instanzen zukommt. Ich vermute, dass sich die digitalen Trickbetrüger nicht ohne Grund mastodon.social als Startserver ausgesucht haben, denn selbst wenn andere Instanzen derentwegen die Föderation mit mastodon.social kappen, wäre dann die Angriffsfläche auf dem eigenen Server noch groß genug gewesen.

    Natürlich sind das nur zwei Beispiele und gerade im zweiten Fall auch ein gutes Stück Vermutungen, die ich hier beschreibe. Allerdings zeigen sie zumindest mir, warum ich aktiv lieber auf kleineren oder wenn, dann mittelgroßen Servern unterwegs bin.

    Fazit

    Dieser Text spiegelt ganz klar meine persönliche Meinung. Es bleibt eben eine persönliche Entscheidung, welchen Server man nutzen möchte – und diese Entscheidung baut zumindest für mich auch massiv auf ein gewisses Vertrauen. Heute habe ich meinen Account von der größten deutschsprachigen Instanz troet.cafe zum wesentlich kleineren Server dizl.de umgezogen. Meine Beweggründe waren hier im Wesentlichen die Vorteile, die kleinere Instanzen für die Dezentralität des Fediverse bedeuten können und die Übersichtlichkeit, die sich mir als Nutzer in der lokalen Timeline bietet.

    Wie bereits erwähnt ist es gerade bei Mastodon eigentlich recht einfach, bestehende Accounts auf einen anderen Server umzuziehen. Allerdings kann ich verstehen, wenn sich manche Nutzer diesen Aufwand nicht machen wollen, vielleicht auch, weil sie die eigenen Beiträge nicht mitnehmen können. Deswegen empfehle ich es gerade Neulingen, auf den mittelgroßen Server troet.cafe zu setzen und im Zweifelsfall auf eine andere Instanz umzuziehen. Da dieser Server bereits von vielen genutzt wird, vermute ich, dass bei Neulingen so nicht der Anschein erweckt wird, im Fediverse wäre nur tote Hose – wenn sie auf ihre lokale Timeline schauen.

    Ich nutze das Fediverse und Mastodon aber nicht erst seit gestern und habe so schon einige Zeit damit verbringen können, verschiedene Server zu testen. Im Grunde waren meine Erfahrungen damit meistens eher positiv. Ich bin oft auch deswegen gewechselt, weil mich ein anderer Server seinerzeit mehr angesprochen hat. Also auch nicht unbedingt, weil ich mit meinem alten Server unglaublich unzufrieden gewesen wäre.

    Sich im Fediverse umzusehen, genau darauf zu achten, welcher Community man beitreten möchte und welche Instanz individuell ansprechend ist: Das kann wohl nie schaden. Vielleicht helfen ja auch meine Überlegungen, die ich in diesem Beitrag formuliert habe, ein wenig bei der Auswahl. Ich freue mich jetzt jedenfalls auf meine Zukünftigen Erfahrungen mit und auf dizl.de. 🙂


    Bildnachweis: Eukombos, CC0, via Wikimedia Commons