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Literatur

Gelesen: Kafka, Orwell, Bradbury

Das Wintersemester neigt sich dem Ende zu, mittlerweile sind alle Prüfungen geschrieben, alle Abgaben erledigt. Die vergangenen zwei, drei Wochen habe ich genutzt, um ein bisschen zu lesen: Drei Bücher, die schon länger auf meiner Liste standen.

Kafka: „Die Verwandlung“

Los ging es bei mir mit Franz Kafka. Viele sollten Kafka bestimmt schon in der Schule lesen, auch wir haben seine „Strafkolonie“ vorgesetzt bekommen. Die meisten in meiner damaligen Klasse hat das abgeschreckt, sich weiter mit Kafka zu befassen. Bei mir war das zum Glück nicht so. Kafkas „Verwandlung“ hatte ich mir schon vor einer ganzen Weile heruntergeladen; weil die Erzählung schon 1912 erschienen ist, ist sie mittlerweile ja gemeinfrei.

Ich habe die „Verwandlung“ ziemlich schnell gelesen. Zu abstrus war die Handlung, als dass sie mich nicht hätte fesseln können.

Ein Geschäftsmann verwandelt sich zu einem Käfer. Seine Familie sieht ihn zunehmend als Last an, kann mit der Situation nicht umgehen – und das, obwohl der Protagonist zuvor Vater, Mutter und Schwester versorgt hat.

Fesselnd ist der Detailgrad, in dem Kafka hier erzählt. In dem er beschreibt, wie sich die Beine des großen Insekts bewegen, wie ein Apfel in das Tier einwächst und verrottet, den sein eigener Vater auf ihn geworfen hat. Beim Lesen läuft man Gefahr, sich den ein oder anderen Satz zweifach vornehmen zu müssen. Weil man das Geschriebene nicht ganz glauben kann, weil es schwer vorstellbar ist, obwohl eigentlich so bildhaft gezeichnet. Kein Wunder, dass Kafka zum Klassiker geworden ist.

Orwell: „Farm der Tiere“

Nach Kafka hatte ich anscheinend noch nicht genug von sprechenden Tieren: In „Farm der Tiere“ zeichnet George Orwell die frühe Geschichte der Sowjetunion nach, dystopisch erzählt als Fabel. Bei Orwell befreien sich die Tiere eines Bauernhofs von ihrem Farmer, wie Russland einst von seinem Zaren. Doch wie in der Sowjetunion entgleiten auch der Farm der Tiere ihre revolutionären Ideale.

Nach einer gewissen Zeit sind „manche Tiere gleicher als andere“, die meisten leiden, wie zuvor.

Wie auch Orwells „1984“ zählt die „Farm der Tiere“ zu den Klassikern des Autors. Orwell möchte seinen Leserinnen und Lesern die Augen öffnen und ihnen das Gesicht des Totalitarismus zeigen. Figuren mit realen Persönlichkeiten abzugleichen, Ereignisse der Handlung mit historischen Gegebenheiten – das bleibt nicht aus. Das ist es aber auch, was die „Farm der Tiere“ lesenswert macht.

Wie sind die großen Linien zu ziehen? Welche Bedeutung hatte eine historische Entwicklung eigentlich für die Menschheit? Liegt die Geschichte 80, 90, 100 Jahre oder mehr zurück, kann ich mir das nur anlesen. Und versuchen, mir das vorzustellen. Ich kann mir Zeitzeuginnen und Zeitzeugen anhören – auch wenn diese Stimmen immer mehr verstummen, weniger werden.

Orwell hat mit „Farm der Tiere“ und „1984“ seine Sicht auf die Jahre kurz vor dem Kalten Krieg konserviert, seine subjektiven Ansichten festgehalten. Und gerade weil sie als Fabel vorliegen, oder auch als Roman, hat er sie in gewisser Weise anschaulicher gemacht – zugänglicher.

Bradbury: „Fahrenheit 451“

Eine Welt ohne Bücher! Unvorstellbar, möchte man sagen. Doch in Ray Bradburys Roman „Fahrenheit 451“ ist genau das die krude Realität: Bradbury beschreibt eine Zukunft, in der die Menschen aufgehört haben, zu lesen – freiwillig, größtenteils. Besitzt doch noch jemand Bücher, wird seine Bibliothek verbrannt – und ihr Besitzer notfalls gleich mit.

Aufrecht erhalten wird diese Ordnung von „Feuermännern“, die Brände legen und nicht löschen.

Anstatt sich tiefgründig mit einem Thema auseinander zu setzen, lassen sich die Menschen beschallen. Beschallen von Werbung, und einer Art inhaltslosen Fernsehprogramm – man könnte sagen: Das ganze Land schaut nur noch Trash-TV. In „Fahrenheit 451“ wirken die Gehirne der meisten wie weich gekocht: Allen ist alles egal – so lange die Dauerbeschallung läuft. Ganz gleich, ob es um die eigene Partnerschaft, die eigenen Kinder oder einen Krieg geht, der über das Land hereinbricht.

Wie auch in anderen dystopischen Erzählungen setzt „das System“ auch in Bradburys Roman vieles daran, sich zu erhalten: Intellektuelle werden klein gehalten, von der Gesellschaft ausgeschlossen. Und wer sich gegen das strikte Bücherverbot wendet – den erwartet ein Fegefeuer auf Erden. Das eigentlich bedrückende ist aber, wie viele sich aus freien Stücken für einen blanken Hedonismus ohne Sinn entscheiden.

Schon im Jahr 1953 wurde Bradburys Roman zum ersten Mal veröffentlicht. Ich habe das Buch in einer aktuellen Übersetzung von 2020 gelesen. Wie viele Jahre Bradburys Werk schon in dem ein oder anderen Bücherregal stehen mag, merkt man ihm nicht an. Verstaubt wirkt hier nichts – im Gegenteil: Immer wieder habe ich mich gefragt, was der Autor wohl gesagt hätte zu kurzen Videos auf Tiktok oder Instagram. Was er wohl halten würde von erfolgreichen Formaten auf YouTube oder auch dem Programm von privaten Fernseh- und Radiosendern.

Die Dimensionen einer Welt, in der alle nur ihren Spaß haben wollen und niemand darüber nachdenkt, lassen sich schwer fassen. Ob Bradburys 272 Seiten hier schon ausreichen? Ich weiß es nicht. Trotzdem: „Fahrenheit 451“ bleibt ein Denkanstoß. Ein Impuls, darüber nachzudenken, wie genau wir in einer digitalen Welt leben wollen. Ohne die Digitalisierung geht heute nichts mehr – aber Digitalisierung geht vielleicht auch besser.