Es gibt Tage, an denen ich nur zu gerne in meinen eigenen Erinnerungen schwelge. Wenn ich zum Beispiel bestimmte Orte wieder besuche, die für mich früher zum Alltag gehörten und heute überhaupt nicht mehr. Für mich ist es dann besonders schön, an die Erlebnisse zu denken, die ich mit diesen Orten verbinde – wobei man sich dann natürlich wieder fragt, ob man die Vergangenheit nicht doch verklärt. Ich habe mal gehört, dass man „schlechte“ Erlebnisse schneller wieder vergisst, als dass, was man schön gefunden hat. Vielleicht ist das auch gut so, vielleicht braucht es das – damit man eben nicht immer nur in negativen Gedanken verharrt. Objektiv über die eigene Vergangenheit zu urteilen, würde das aber natürlich nicht leichter machen.

Wenn man ständig an Gutes zurückdenkt, ergibt sich natürlich auch ein anderes Bild auf die eigene Vergangenheit als Ganzes. Das bringt mich zu einem weiteren Gedanken: Es ist ja eigentlich schon ein Klischee, dass Ältere sich über „die verkommene Jugend“ wundern. Das sagen natürlich auch nicht alle, die schon mehr Lebenserfahrung haben – aber gefühlt höre ich das doch oft genug. Vielleicht kommt diese Grundhaltung auch aus genau diesem Blick auf die Vergangenheit, den ich auch mitbekomme: Wenn man sich in der Gegenwart immer nur auf Negatives konzentriert, aber tendenziell eher an Positives zurückdenkt – wem kann man es da übel nehmen, ein bisschen verbittert auf die Welt zu schauen, in der wir gerade leben? Hier ist natürlich auch ein bisschen die Frage, bis zu welchem Grad sich so eine Haltung rechtfertigen lässt – und wann sie eher zu einer Weltsicht mit massiven Scheuklappen wird.

Als junger Mensch denke ich häufig darüber nach, wie sich mein Leben später entwickeln könnte – immerhin habe ich den absoluten Großteil ja noch vor mir. Daher finde ich es auch interessant, die Perspektive von Älteren nachzuvollziehen, immerhin konnten die ja schon viele Erfahrungen sammeln, die ich selbst erst machen muss. Manchmal fällt es aber auch schwierig, nachzuvollziehen, was „ältere Semester“ so erzählen. Aus meinem heutigen Blickwinkel kann man manches einfach nicht so schnell verstehen. Klar, dann helfen sicherlich ausführliche Gepräche und ausgiebiges Zuhören. Aber dazu braucht es eben auch diese gewissen Gelegenheiten, die sich nicht immer bieten.

Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen persönlichen Erfahrungen, die ältere Weitergeben können und etwaigen Erlebnissen, die sie vielleicht nie wieder vergessen können. Aber bei diesem Thema komme ich einfach nicht umhin, auch an die verschiedenen Zeitzeugengespräche zu denken, die ich bis jetzt führen durfte. Ich bin für diese Chancen sehr dankbar. Der Gedanke daran, dass sich diese Gelegenheiten in Zukunft vielleicht nie wieder ergeben, dass es eine der wenigen Möglichkeiten ist, Geschichte recht direkt aus erster Hand zu erfahren – der verstärkt diese Dankbarkeit noch mehr. Ich habe mein eigenes Leben noch vor mir – umso mehr möchte ich es wertschätzen, wenn mich Ältere mit ihnen zurückschauen lassen.

Gerade als junger Mensch stellt sich unvermeidlich die Frage, was man aus dem eigenen Leben machen möchte. So wirklich vermeiden lässt die sich ja nun auch nicht. Ihr aus dem Weg zu gehen bringt am Ende des Tages nichts. Was das angeht, ergibt sich für mich eben sowohl ein Gefühl von Ungewissheit als auch diese gewisse Neugier. In die Vergangenheit zu schauen, das ist das eine. Dann für die Zukunft zu lernen ist wohl noch etwas ganz anderes.


Eine Antwort zu „Präteritum, Präsens, Futur“

  1. In meinen jungen Jahren bin ich ziemlich sorglos durchs Leben gegangen und meine Probleme gehörten einfach dazu. Mit zunehmenden Alter habe ich mein Leben bewusster gelebt. Gleichgültig gegenüber meinen Mitmenschen war ich jedoch nie – so war ich viele Jahre politisch sehr aktiv: schulpolitisch, parteipolitisch, kulturpolitisch, friedenspolitisch, gewerkschaftspolitisch.

    Meine Berufsjahre habe ich sehr unklug gelebt. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen – nur so viel: Ich war 15 Jahre arbeitslos und habe den Wiedereinstieg ins Berufsleben trotz intensiver Suche nicht wieder geschafft. Der Preis. Leben mit geringen finanziellen Mitteln ohne Kultur und Reisen.

    Heute bin ich 72 Jahre (jung!). Unternehmen könnte ich so einiges, aber ich muss mich immer stärker dazu aufraffen und habe auch sehr wenig Lust dazu.
    In meiner Jugend hätte ich nie geglaubt, mal dem politischen Engagement den Rücken zu kehren oder mich sportlich nicht mehr zu betätigen.

    Mittlerweile finde ich es wichtig, nicht mehr – am besten – gar nicht zu kämpfen und mein Leben leichter zu nehmen als ich derzeit immer noch tue. Ich bin überzeugt, dass auch wieder bessere Zeiten für mich kommen, aber davon spüre ich zur Zeit so ziemlich gar nichts.

    Aber ich habe ja noch 48 Jahre vor mir, weil ich erst mit 120 bereit sein werde, meinen Löffel abzugeben.

    Aus meiner Sicht sind im Leben das wertvollste Gesundheit und vertraute und vertrauensvolle Menschen. Beides erachte ich für wesentlich wichtiger als jeden materiellen Reichtum.

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